Von DO IT YOURSELF zu DO IT WITH OTHERS

29. March 2011

Innovation, Entrepreneurship und das ICH KANN! – Gefühl im April 2011

Warum machen wir Dinge? Wenn manchmal ausgerechnet das, was wir zum Überleben tun, ein totes Gefühl erzeugt (das tägliche Erscheinen bei der Arbeit, Nahrungsbeschaffung in Supermärkten), dann lohnt es sich, den Blick dorthin zu lenken, wo ozeanische Freiheitsgefühle zuverlässig ihren Ursprung haben: beim Selbermachen.

Wie kommts? Nun, aus eigener Erfahrung weiss man, dass die sanfte Diktatorin Zeit ihr Zepter ablegt und gnädig einen Schritt zurück tritt, wenn der Moment gekommen ist, an dem wir im eigenen Auftrag ans Werk gehen.

Ein Beispiel? Also Kochen! Wenn die Zutaten für das Boeuf Bourguignon in der Küche ausgebreitet bereitliegen, steht der Zusammenbau eines Essens bevor. Die Komposition eines Abends ist im Gange. Der Weg ans Ziel ist mit dem Rezept vorgezeichnet, die Physik des Kochens wird einigermassen zuverlässig ablaufen und der eigene Beitrag dazu hebt, je nach Tagesform und Routine, das Resultat mehr oder minder vom Durchschnitt ab. Wir sind Chef.

ICH KANN also aus Zutaten, die heute morgen zusammenhanglos auf dem Markt waren, am Abend ein tolles Essen zaubern. ICH KANN aber noch mehr – mit dem Gemüsebauern über die Qualität der Salate reden, und mit meinen lieben Gästen rede ich über das tägliche Erscheinen bei der Arbeit und die Untiefen der Nahrungsbeschaffung in Supermärkten…

Ich könnte allerdings auch den Schlusssatz von Peter Sloterdijks letztem Buch “Du musst dein Leben ändern” in die erstaunte Runde werfen. Der lautet Unter den Ordensregeln der globalisierten Zivilisation leben zu wollen würde den Entschluss bedeuten: in täglichen Übungen die guten Gewohnheiten gemeinsamen Überlebens anzunehmen. Starker Tobak. Ich könnte mich ausserdem mit meinen Gästen des Abends fragen, weshalb der Film “Wer wenn nicht wir” so viele Fragen aufwirft über Leben in Gesellschaft (Bernward Vesper und Gudrun Ensslin, und Andreas Baader in einer todbringenden Autoimmunreaktion gegen einander und gegen die Gesellschaft um sie herum; mit dem Untertitel “Taten statt Worte”. Was für Taten!).

Das Gespräch würde vermutlich an dieser Stelle stagnieren – denn Fundamentalismus raubt Illusionen, und gute Gespräche gedeihen gut bei offenem Geist.

Wieder in Gang kommt die Unterhaltung durch wilde Assoziationen von Selbermachen mit Joseph Beuys’ Jeder Mensch ist ein Künstler und seiner Honigpumpe am Arbeitsplatz auf der documenta 6 (er präsentierte sie als soziale Plastik in Kassel, 1977). War diese Pumpe, unter der er sass, während er mit den Besuchern diskutierte, nicht einfach ein wunderbarer Anlass für Gespräche? Und ist ein 3D Plotter, der die Pforte von der virtuellen zur echten Welt bewacht, nicht heute ein ebenso guter Beginn für ein Gespräch?

Denn eines zeichnet sich ab: mittendrin in der facebookisierten globalisierten Gesellschaft sind Erlebnisse, die Menschen in direkten Kontakt zueinander bringen über Themen, die sie selbst betreffen, so etwas wie der Strand unter dem Silizium, mit dem unsere Kommunikationswege gepflastert sind.

ICH KANN! im April ist ein Ort, an dem die Losung DO IT YOURSELF, die seit den späten Sechzigern durch die industrialisierten Gesellschaften hallt und sie in einen durchs frühe Internet nicht gerade gebremsten Individualismus-Kult geführt hat, durch ein klares DO IT WITH OTHERS ersetzt wird.

DIWO ist die soziale Skulptur von Joseph Beuys, ist das Fab Lab als Idee und location im Stadtbild, und war vielleicht sogar die Sehnsucht der Studenten von 1968. Es ist jedenfalls ein Ort, an dem man sich wirklich (nicht nur virtuell) treffen kann, an dem aber auch die Fibern des (sozialen) Inter-Netzes enden und in beide Richtungen übertragen. Es ist die Stelle, an der eigene Ambition auf noch unbekanntes Wissen trifft, und an der nicht “How much?” sondern “How cool!” zu hören ist.

An Innovationen entzücken nicht die Innovationen selbst, sondern die Kraft, mit der sie sich in Gesellschaften fortpflanzen. Es ist die Selbstverständlichkeit, mit der sie am Markt Fuss fassen. Wirtschaftlichkeit allein, der Profit, ist nicht mehr geeignet, ihren Erfolg zu erklären. Innovationen kommen durch die Hintertür, cool and slow with plenty of precision, um es poetisch in den Worten des kalifornischen Innovationspragmatikers Jim Morrison zu sagen.

Die Neue Entrepreneurship wäre eine, die sich am ICH KANN! – Moment als dem alle Menschen verbindenden Gefühl von Lust am Gelingen orientiert, die sich dabei aber weder im subjektiven Allmachtsgefühl des Computernerds verliert noch im Denken des Kaufmanns alter Prägung.

Deshalb: Probierts mal mit Selbermachen, Selbermachen mit den Anderen.