19 November 2019, Nürnberg.
Wenn es einen idealen „white cube“ gibt – dann steht er in Nürnberg. Und wenn es jemanden interessiert, warum alles gut ist, so ist wie es ist – dann nichts wie dorthin.
Das Neue Museum hat mich wieder einmal kalt erwischt. Die Schau „out of order“ mit Konzeptkunst aus der Sammlung des Ehepaares Haubrok beginnt mit einem Fußballtor im Foyer und einem Sack Erde von der iberischen Halbinsel am Eingang des lichtgefluteten Ausstellungsraumes. Aha, jaja. Naja. Doch schon nach wenigen Schritten stoppt mich lackierte schwarze Pappe (von Heimo Zobernig), und verfange ich mich in Ungetümen aus ineinandergesteckten Mehrfachsteckdosen, die am Boden wuchern, genau wie im Büro oder zuhause, oder überall. Bingo. Diese Schau liefert ein Bild der globalisierten Welt wie sie ist, nur kondensiert auf schlaglichtartig erhellte Bestandteile, daher mit wenigen Schritten zu umrunden, und in das weiche tiefe Licht getaucht, das die Wechselausstellungshalle im Neuen Museum auszeichnet. Ein wohliges, inneres Seufzen: Ich entspanne mich, suche miteins nicht mehr danach, was mich aus dem Alltag in eine ideale Welt entführt (Kunst zum Beispiel), sondern finde wie in einer Kettenreaktion oder beim Puzzle immer mehr Bestandteile des Alltages sichtbar, erlebbar, betretbar gemacht. Es ist, als würde das hastig geschweisste Blech, der angesengte Holzwerkstoff, die durch schwarzen Lack zwar veredelte aber dabei immer noch klapprige Pappe davon berichten, dass immer und überall versucht wird, das Wahre – Schöne – Gute zu schaffen, bewusst und unbewusst. Und dass es immer wieder nur so gut wird wie es eben wird. Die Haubroks, die das gesammelt und arrangiert haben, lassen mich nun klar wahrnehmen, dass es keine Bosheit ist, wenn die Erde von der iberischen Halbinsel nichts von Orangenblüten und lauen Nächten erzählt, dass es nicht bös gemeint ist, wenn die Kalschnikov auf dem Flügel vergessen wurde, und dass die Titel der abgegriffenen Paperbacks auf dem kleinen Stapel am Boden nicht unbedingt stumm um Beachtung ringen, die sie nicht bekommen. Alles ist, wie es ist. Oder drastischer: nichts hier erhöht das Leiden in der Welt – alles erzählt, umgekehrt, wovon man runterkommen könnte, um nicht mehr zu leiden, und um andere nicht leiden zu lassen. Mehr davon, bitte. Im Januar eröffnet Teil II der Präsentation aus der Sammlung Haubrok.